
Inside Social Media
Pressemitteilung 11/2025
Saarbrücken, 20.02.2025: Die politische Auseinandersetzung hat sich längst ins Digitale verlagert. Doch welche Strategien führen zum Erfolg? Welche Rolle spielen Algorithmen, Emotionalisierung und gezielte Netzwerke? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Online-Vortrags „Inside Social Media – Wie Parteien auf sozialen Netzwerken agieren“, der Videoagentur Bildbrauerei, der am 19. Februar 2025 von der Landesmedienanstalt Saarland (LMS) angeboten wurde.
Ein ungleiches Spielfeld: Parteien und ihre digitale Präsenz
Ein zentrales Ergebnis der Analysen: Nicht alle Parteien nutzen Social Media gleich effektiv. Die untersuchten etablierten Parteien lehnen ihre Kommunikation stark an klassische Markenstrategien an. Mit eher geringfügigen Unterschieden fehlt es CDU, SPD und Grünen an plattformspezifischer Anpassung, professioneller Ausführung und langfristiger Präsenz. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass ihre Aktivitäten oft erst kurz vor Wahlen intensiviert werden – ein deutlicher Nachteil in einer digitalen Landschaft, in der Reichweite über Zeit aufgebaut werden muss.
Ganz anders agiert hier die AfD, die durch eine erkennbare Strategie, algorithmusoptimierte Inhalte und eine starke Vernetzung auffällt. Sie nutzt Social Media nicht nur kontinuierlich, sondern setzt gezielt auf emotionale Ansprache, wiedererkennbare visuelle Identität (CI) und eine organisierte Themensetzung. Besonders auf der Plattform TikTok zeigt sie eine überragende Reichweite und bedient sich kritischer Methoden, wie etwa Wettbewerben und Gewinnspielen, um maßgebliche Reichweitensteigerungen auch außerhalb ihrer Kernklientel zu erzielen.
Das Prinzip der Emotionalisierung und die Wirkung auf den Wahlkampf
Eric Jansen von Der Bildbrauerei legte die Bedeutung von Emotionalisierung in der politischen Kommunikation dar. Basierend auf der “Affective Intelligence Theory“ beeinflussen vor allem die Emotionen Wut und Angst das Informationsverhalten maßgeblich. Wut führt zu impulsiven Handlungen und Angst triggert die Aufmerksamkeit für Themen mit Fokus auf Unsicherheit, nationaler Identität oder Anti-Establishment-Rhetorik.
Dezentrale Unterstützungsnetzwerke werden genutzt, um Inhalte exponentiell weiterzuverbreiten. Dabei kommen auch Tutorials über Messengerdienste zum Einsatz, die sich als Individualkommunikation der öffentlichen Aufsicht entziehen.
Eine optimierte Algorithmen-Nutzung wird erreicht durch tägliche Postings und Interaktionen mit Sounds, die bewusst darauf ausgelegt sind, Zuspruch oder auch massiven Widerspruch zu erreichen und viral zu gehen. Dabei werden regelmäßig auch öffentlich verfügbare Bilder und Videos unbeteiligter Dritter widerrechtlich genutzt. Die Sperrung einzelner Accounts durch die Plattformen selbst oder aufgrund von Anzeigen, Ordnungswidrigkeits- und Strafverfahren geht dann in der Masse der Contentcreatoren unter.
Handlungsbedarf für demokratische Akteure
Die geschilderten Phänomene verdeutlichen einmal mehr die Dringlichkeit einer kritischen Medienbildung – dies war auch der Tenor der an den Vortrag anschließenden Diskussion: Likes, Kommentare, das Teilen von Content oder die Beteiligung an Challenges und Gewinnspielen sollten wohl bedacht und persönliche Videos nur unter Freunden geteilt werden. Um die digitale Meinungsbildung nicht Akteuren zu überlassen, die gezielt auf Hetze und Spaltung setzen, müssen demokratische Parteien ihre Social-Media-Strategien grundlegend überdenken, so der Rat des Referenten.
Dazu gehören:
- Kontinuierliche Social-Media-Präsenz statt kurzfristiger Wahlkampfkommunikation,
- Investitionen in plattformspezifische Inhalte,
- Aufbau von Unterstützungsnetzwerken und Kooperation mit Influencern,
- gezielte Förderung der Medienkompetenz: Menschen müssen grundlegend verstehen, wie Social-Media-Mechanismen sie beeinflussen.
Fazit: Die digitale Öffentlichkeit ist Kampfplatz um demokratische Werte
Die Bildbrauerei resümierte: Social Media wartet nicht! Wenn demokratische Kräfte nicht aufholen, wird das Spielfeld mehr und mehr von jenen dominiert, die eine offene demokratische Gesellschaft mit einer kontroversen politischen Debatte und Meinungsbildung unterbinden wollen.